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Englisches Arbeitsrecht – Kündigungsschutz vor und nach Brexit

Englisches Arbeitsrecht – Kündigungsschutz vor und nach Brexit
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Bettina Bender, a partner in our employment and partnership teams who is fluent in German and acts for a number of German clients gives an overview of dismissal protections and employment law claims in the UK both pre and post Brexit.

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Das Kündigungsverfahren in England ist sehr unterschiedlich zu dem in Deutschland und noch viel mehr von einer förmlichen Verfahrensweise geprägt.   Dazu ist anzumerken, daß grundsätzlich eine Kündigung in England, ungeachtet ihrer Rechtmäßigkeit, das Arbeitsverhältnis beendet. Dem Arbeitnehmer ist es möglich eine Klage aufgrund ungerechtfertigter Kündigung und auch, je nach Sachlage, vertragswidriger Kündigung zu erheben.  Es ist gegenwärtig nicht zu erwarten, dass sich im Zuge von Brexit die rechtlichen Grundbedingungen einer Kündigung in England entscheidend verändern werden.

Vertragswidrige Kündigung – ‘Wrongful Dismissal’

Bei vertragswidriger Kündigung beschränkt sich die Klage in der Regel auf den Ersatz des Vertragsverletzungsschadens. Der zu ersetzende Schaden bemisst sich danach, was der Arbeitnehmer verdient hätte, wenn die Kündigungsfrist eingehalten worden wäre. Die Kündigungsfrist ist in der Regel im Vertrag festgelegt, ansonsten existieren gesetzliche Mindestkündigungsfristen (eine Woche pro Dienstjahr bis zu maximal 12 Wochen). Bisweilen kann aber auch eine tätigkeitsspezifische Kündigungsfrist geltend gemacht werden.

Ungerechtfertigte Kündigung – ‘Unfair Dismissal’

Der gesetzliche Kündigungsschutz des Arbeitnehmers ergibt sich aus den Vorschriften des Employment Rights Act 1996. Für eine Klage wird in der Regel eine Beschäftigungsdauer von mindestens zwei Jahren vorausgesetzt. Ausnahmen gelten für Entlassungen im Falle von z. B. Ausübung gesetzlicher Schutzrechte des Arbeitnehmers, Mutterschutz und Schwangerschaft, gewerkschaftliche Mitgliedschaft des Arbeitnehmers etc. Damit eine Kündigung als gerechtfertigt gilt, muss der Arbeitgeber einen gesetzlich vorgegebenen Kündigungsgrund nachweisen und die maßgeblichen Verfahrensvorschriften beachten.

Kündigungsgründe

  • Gründe die in der Person des Arbeitnehmers liegen (Capability)
  • Gründe die in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen (Conduct
  • Betriebsbedingte Gründe (Redundancy)
  • Eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers ist aus gesetzlichen Gründen nicht möglich (Illegality)
  • Sonstige materielle Grunde, welche geeignet sind, die Arbeitgeberkündigung zu rechtfertigen (Some other substantial reason)

Verfahrensvorschriften

Die maßgeblichen Verfahrensvorschriften müssen vom Arbeitgeber beachtet worden sein. Sofern der Arbeitnehmer keine groben Verletzungen seines Arbeitsvertrages begeht, muss der Arbeitnehmer bei verhaltensbedingten oder personenbedingten Beanstandungen abgemahnt werden. Der Prozess beinhaltet in der Regel schriftliche Abmahnungen bis es zu einer rechtmäßigen Kündigung kommen kann. Hierfür gibt es strenge Formvorschriften.

Ein Abmahnungsprozess in Bezug auf unzureichende Arbeitnehmerleistung kann Monate dauern und endet nicht unweigerlich mit einem Recht auf Kündigung. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer zu einer Besprechung einladen und bei jeder Abmahnung kann Einspruch erhoben werden, zu welchem der Arbeitnehmer in einer weiteren Besprechung angehört werden muss. Dem Arbeitgeber obliegt es auch dem Arbeitnehmer Training und Unterstützung anzubieten, so dass dieser seine Leistung verbessern kann.

Ein wesentlicher Unterschied zum deutschen Kündigungsrecht ist, dass im Gegensatz zu dem System in Deutschland, das gerade kein Abfindungsgesetz ist, die in materieller oder verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht genügende Kündigung in England dennoch in den allermeisten Fällen voll wirksam ist. Als Folge und Korrektiv wird lediglich finanzielle Kompensation oder in einer nahezu praxisirrelevanten Anzahl von Fällen Wiedereinstellung bzw. Weiterbeschäftigung ausgeurteilt. In Deutschland würde eine rechtswidrige Kündigung im Gegensatz dazu die Unwirksamkeit der Kündigung und das Recht des Arbeitnehmers auf Weiterbeschäftigung nach sich ziehen.

Fristen

Eine Klage beim Arbeitsgericht (Employment Tribunal) muss innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhoben werden. Vor der Klageerhebung muss  die sog. Early conciliation (Frühe Schlichtung) – der Versuch einer außergerichtlichen Streitbeilegung – durchgeführt werden und hierbei verlängert sich die Frist zur Klageerhebung zugunsten des Arbeitnehmers automatisch. Inwiefern sich die Klageerhebungsfrist verlängert, kann jedoch auf Grund der vielfältigen Fallkonstellationen nicht generell bestimmt werden, sondern ist in jedem Einzelfall konkret zu berechnen.

Rechtsfolgen

  • Weiterbeschäftigung (reinstatement)
  • Wiedereinstellung (reengagement)
    Diese beiden Rechtsmittel sind extrem selten.  Üblich ist:
  • Entschädigung

Diese setzt sich aus 2 Teilansprüchen zusammen:

  1. Grundanspruch (basic award), welcher sich nach Dienstjahren, Alter und einem maximalen Wochengehalt von gegenwärtig £525 bemisst – gegenwärtig beträgt dieser Grundanspruch maximal £15,750 (ab 6. April 2018).
  2. Entschädigungsanspruch (compensatory award), welcher gegenwärtig maximal £86,444 (ab 6. April 2018), oder aber maximal ein Jahresgehalt des Arbeitnehmers –sofern geringer als £86,444 – beträgt. Dieser Anspruch berechnet sich vorwiegend nach dem Verdienstausfall des Arbeitnehmers. Diesem obliegt es, diesen Verdienstausfall soweit wie möglich zu verringern, indem eine neue Arbeitsstelle gefunden wird.

Betriebsbedingte Kündigung (Redundancy)

Die betriebsbedingte Kündigung liegt bei Stilllegung des Betriebes oder einer Verringerung der Anzahl der Arbeitnehmer vor. Voraussetzung für einen Anspruch auf eine gesetzliche Entschädigungszahlung (Redundancy Payment) sind zwei Beschäftigungsjahre des Arbeitnehmers. Es gibt auch hier Formvorschriften beim Auswahlverfahren, welche eine Anhörung des Arbeitnehmers beinhalten. Dem Arbeitgeber obliegt es auch vor Ausspruch der Kündigung zu versuchen, den Arbeitnehmer anderweitig zu beschäftigen. Der Arbeitnehmer hat einen gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung, welche dem basic award entspricht (maximal £15,750). Zu beachten ist, dass es in England keine soziale Auswahl gibt und die Auswahl nach Kriterien wie Dienstjahren und Leistung erfolgt. Es gibt keinen gesetzlichen Zeitrahmen, in welchem der Arbeitgeber im Falle von betriebsbedingten Kündigungen Konsultationspflichten genügen muss, sofern weniger als 20 Arbeitnehmern in einem Zeitraum von 90 Tagen gekündigt wird.

Üblicherweise wird in England von einer Massenentlassung (Collective Redundancies) gesprochen, wenn 20 oder mehr Arbeitnehmern innerhalb eines Zeitraumes von 90 Tagen gekündigt wird. In solchen Fällen ist der Arbeitgeber verpflichtet (zusätzlich zu der Konsultation mit dem Arbeitnehmer persönlich), einen Vertreter von der Gewerkschaft oder gewählte Arbeitnehmervertreter über die geplanten Entlassungen in Kenntnis zu setzen und über einen Zeitraum von 30 Tagen zu konsultieren (dieses erhöht sich auf 45 Tage bei Entlassungen von 100 oder mehr Arbeitnehmern). Sofern diese Konsultationspflicht nicht beachtet wird, kann der Arbeitnehmer auf Zahlung von 3 Monatsgehältern klagen.

Bei einer Massenentlassung muss auch das relevante Ministerium über die betriebsbedingten Kündigungen auf einem sogenannten Formular HR1 informiert werden 30 Tage bevor die ersten Kündigungen wirksam werden (sollte dieses nicht getan werden, wäre dies eine Strafrechtsdelikt).

Einige englische arbeitsrechtliche Besonderheiten

Antidiskriminierung

Das Antidiskriminierungsrecht ist in England im Vergleich zu Deutschland relativ weit entwickelt und es werden vergleichsweise häufig Diskriminierungsklagen von Arbeitnehmern erhoben. Es gibt Gesetze, welche unter anderem vor Rassendiskriminierung (welche die Diskriminierung aufgrund von Nationalität beinhaltet), Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes und Schwangerschaft, Behindertendiskriminierung, Altersdiskriminierung, Diskriminierung aufgrund von Religion, Glauben und Sexualität schützen. Es gibt keine erforderliche Mindestdienstzeit.

Die Antidiskriminierungsklage ist in der Regel auf Schadensersatz gerichtet und die Summe ist hier unbegrenzt, soll aber den Arbeitnehmer für den Verdienstausfall entschädigen. Dem Arbeitnehmer obliegt es, diesen Verdienstausfall soweit wie möglich zu verringern, indem eine neue Arbeitsstelle gefunden wird. Es gibt auch eine Zusatzsumme bis zu maximal ca.  £44,000 für sogenannte ‚injury to feelings‘ (verletzte Gefühle).

Whistleblowing (Enthüllung von Unternehmensinterna)

Für eine Whistleblowingklage gibt es ebenso keine erforderliche Mindestdienstzeit. Der Rechtsschutz besteht für Angestellte, welche  für die Allgemeinheit wichtige Information aufdecken/bekanntgeben. In Bezug auf Schadensersatz ist die Summe hier auch unbegrenzt, soll aber den Arbeitnehmer für den Verdienstausfall entschädigen. Dem Arbeitnehmer obliegt es, diesen Verdienstausfall soweit wie möglich zu verringern, indem eine neue Arbeitsstelle gefunden wird.  Es gibt auch hier eine Zusatzsumme bis zu maximal ca.  £44,000 für sogenannte ‚injury to feelings‘ (verletzte Gefühle).

Vergleichsvertrag (Settlement agreement)

Sofern angebracht, kann man als Arbeitgeber, auch um ein eventuelles Klagerisiko auszuschließen, einem Arbeitnehmer einen Vergleichsvertrag bei einer Kündigungssituation anbieten. Der Angestellte muss hierbei von einem Anwalt beraten werden, damit der Vergleichsvertrag Gültigkeit erlangt. In der Regel bietet der Arbeitgeber eine gesonderte Summe an, damit der Arbeitnehmer den Vergleichsvertrag eingeht.

„Geschütze Gespräche“ (Protected conversations)

Es gibt weiterhin die Möglichkeit der sogenannten ‚protected conversations‘, welche es einem Arbeitgeber ermöglichen sollen, mit einem Arbeitnehmer ein Gespräch über dessen Austritt aus dem Betrieb zu führen, das nicht vor einem Gericht als Klagegrund vorgebracht werden kann. Dieses schließt allerdings Diskriminierungs- und Whistleblowingklagen aus und es gibt strenge Formvorschriften. Deswegen sind diese protected conversations für Arbeitgeber, welche sich mit einem begrenzten Klagerisiko von einem Arbeitnehmer trennen wollen, nur mit Einschränkungen hilfreich. Vor allem da das eigentliche finanzielle Risiko für einen Arbeitgeber bei den Antidiskriminierungs- und Whistleblowingklagen liegt.

Zum Abschluss

Das Kündigungsverfahren in England ist somit sehr unterschiedlich zu dem in Deutschland und ist noch viel mehr von einer förmlichen Verfahrensweise geprägt.  Dieses wird erwartungsgemäß auch nach Brexit weiterhin der Fall bleiben und eine rechtzeitige, rechtliche Beratung ist zu empfehlen.  Diese sollte idealer Weise bereits vor der geplanten Kündigung begonnen werden, um dort Fehler, die sich wesentlich auf das Ergebnis eines etwaigen Kündigungsprozesses auswirken können, zu vermeiden.

Diese rechtliche Zusammenfassung kann lediglich eine Orientierung zum Kündigungsschutz in England geben.  Für den Inhalt dieses Informationsblatts sowie Änderungen der Rechtslage können wir keine Haftung übernehmen.  Es kann nicht die juristische Beratung im Einzelfall ersetzten und bei Bedarf würden wir uns über eine Kontaktaufnahme freuen und beraten auch gerne in der deutschen Sprache.

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